Hamburger Morgenpost vom 23.09.2002 Allein gegen alle - Hamburgs einsamste Wahlkämpferin Chancenlos, aber unverzagt: Olga Masur trat für Kinderschutz an von Matthias Onken Zweieinhalb Stunden vor der Entscheidung sitzt Olga Masur auf dem Winterhuder Marktplatz und schlürft Eiscafé. "Ich hab’ viel zu wenig Sommer gehabt dieses Jahr", erklärt sie Richtung Sonne. Sie sei viel auf Tour gewesen. Wahlkampf, Stimmen sammeln für ihre Kandidatur. Die Publizistin ist eine der zwei Hamburger Einzelbewerberinnen um den Direkteinzug in den Bundestag gebracht. Rund 400 Unterstützer trugen sich in ihre Liste ein, die Hälfte hätte gereicht. Statt für eine Partei tritt sie im Wahlkreis Nord für den Kinderschutz an. Das Handy der Bewerberin klingelt. Ein Wähler fragt, ob sie wirklich keiner Partei angehöre. "Nein. Und ich werde auch in keine eintreten, sollte ich reinkommen." Wahlkampf in letzter Minute. Flugblätter hat sie in den letzten Wochen verteilt, Plakate geklebt. Zweimal baute die 32-Jährige einen Stand auf, zweimal lud sie zu Infoveranstaltungen: "Die waren inhaltlich gut, leider weniger gut besucht." Das läge daran, dass die Medien sie tot geschwiegen hätten. Olga Masur hofft auf ein Prozent der Stimmen. Wo sie ihr zweites Kreuz gemacht hat, verrät sie nicht. "Bei der DKP aber sicher nicht", sagt die gebürtige Russin. Kämen ihr die Grünen nicht am nähesten? Die Frau mit dem hennaroten Haaren lächelt. "Sie legen mich nicht rein." Sie könne mitdenken – ziemlich gut. "Ich gehöre zu den zwei Prozent der intelligentesten Deutschen." IQ? "Über 130." Masur wurde als Kind missbraucht, litt in der Schule unter der Ignoranz ihrer Hochbegabung. Ihre Geschichte erzählt sie in dem Buch "Ich wollt’ ich wär’ die Letzte". Ihre Forderung im Mini-Wahlkampf: Kinder vor sexueller Gewalt, Schlägen und Vernachlässigung schützen. Sie wisse, dass Missbrauch keine Triebtat, sondern ein lange geplantes Verbrechen sei: "Manche zeugen nur ein Kind, um es zu vergewaltigen." Könnte sie entscheiden, würde die 32-Jährige die Verjährung sexueller Straftaten abschaffen. Auch zu den Wahlkampf-Themen der "Großen" fällt ihr was ein. Irak? "Keine deutscheBeteiligung ohne UN-Mandat." Steuererhöhung? "Ich mache ungern Schulden." Auf der Straße habe sie gute Erfahrungen gemacht, sagt Masur, selbst kinderlos. Nur eine junge Frau habe ihr entgegnet, Tierschutz sei doch wichtiger. "Kinder könnten sich ja mitteilen", zitiert Masur entsetzt. "Die Frau war Erzieherin." Am Abend ist Olga Masur im CCH, verfolgt die Entscheidung. Sie fällt unter Sonstige. Wird sie trotzdem weitermachen: "Ja, in welcher Form auch immer." http://www.mopo.de/
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