Das Bedingungslose Grundeinkommen als ein Beispiel des etwas Nicht-Denken/Gönnen könnens |
In dieser Fernseh-Debatte zum Bedingungslosen Grundeinkommen (im Folgenden: BGE) lässt sich wunderbar beobachten, wie sehr Gehirn-Scheuklappen selbst eigene Widersprüche nicht mehr wahrnehmen lassen. Dazu kommt dann noch die übliche Prise Küchenpsychologie, die nur eine Seite des menschlichen Reaktionsvermögens sieht. Es zeigt, wie viele Diskussionen dadurch bestimmt werden, dass man nicht über den eigenen Gönnen-Können-Schatten springen will/kann – und damit leider nicht die/oder der Letzte ist, dem es nicht gut ging in einer Situation Ich habe die Leute mal beim Wort genommen und eben dieses hier analysiert: 1. Stichwort Finanzierung:http://www.grundeinkommen.ch/69-fur-das-grundeinkommen-umfrage-und-diskussion-beim-mdr/ 1. Finanzierung: Claus Schäfer, Sozialwissenschaftliches Institut des DGB (Dt. Gewerkschaftsbund) in der 18. min: „Ich glaube, man sollte die Diskussion, die sich etwas im Kreis bewegt, mit einem sachlichen, ökonomischen Argument durchbrechen … das Ganze ist nicht finanzierbar – weder heute noch in Zukunft“ => Er versucht ein Denkverbot zu errichten. Weiter rechnet er aus, dass die nötige Summe: „ … allen bisherigen deutschen Sozialleistungen“ entspricht. => Er widerspricht sich selbst, da er bestätigt, dass die nötigen Ausgaben für ein BGE der Summe entspricht, die schon JETZT an Sozialleistungen verteilt wird. So offensichtlich der Widerspruch ist, fiel er nicht auf: Sicheres Zeichen dafür, dass ideologisch motivierte Scheuklappen das Denken prägen. Verstärkt durch die Ich-bin-so-wichtig-und-habe-die-Weisheit-gepachtet-Manier, in der es vorgebracht wird. Auch in der 35. Minute versucht er seine Sicht als DIE Sicht zu etablieren: „Sehen wir mal davon ab, dass es nicht finanzierbar ist …“. Die Moderatorin hätte fragen können, warum es im Vergleich so schnell möglich war, extreme Summen zur sog. Banken (= reiche Anleger-) Rettung Milliarden zu mobilisieren, allerdings pariert sie: „Das ist Ihre Meinung!“ Auch in einem weiteren Punkt, denkt Claus Schäfer sein eigenes Argument, dass das Hartz IV-System schon allein deswegen als „ungerecht“ zu bezeichnen ist, weil „Nur die Hälfte der Berechtigten es bekommt“ nicht zu Ende: Wenn schon heute noch viel höhere Sozialleistungen sogar von Gesetz wegen da zu sein hätten und also auch da wären, dann wäre ein BGE sogar mit viel Luft zu finanzieren. 2. Stichwort Begriffe und -sverdrehungen: Bernhard Jirku, Bereichsleiter Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bei ver.di, redet vom Hartz IV Arbeitslosengeld ALG II als „einem Grundeinkommen“ und vom Grundeinkommen als einem „Kombilohnmodell“. Eine Begriffszuordnung, die Katja Kipping, Bundesvorsitzende DIE LINKE, als „unredlich“ bezeichnet, was er wiederum „Begriffsklauberei“ nennt. In überparteilichen Netzwerken werden für das BDG vier Grundkriterien erfasst, die alle nicht für das ALG II zutreffen:
Katja Kipping: „In allen vier Kriterien ist H4 das komplette Gegenteil vom Grundeinkommen.“ Auch ist ein Grundeinkommen bzw. die Möglichkeit, etwas dazu zu verdienen, kein Kombilohnmodell à la verdeckter Subvention von Betrieben, die ALG II-EmpfängerInnen dazu zwingen, Löhne zu akzeptieren, die trotz Vollzeitarbeit kein Auskommen bieten. Dies wird zurecht kritisiert, hat aber nichts mit der Finanzierung und Berechnung von Verdienst bei Grundeinkommen zu tun. 3. Stichwort Menschenbild – und warum dieser Text auf dieser Seite veröffentlicht ist: In der 30 min. kommt dann der obligatorische Psychologe hinzu, die Moderatorin leitet ein: „ Einen interessanten Aspekt, haben wir nämlich noch gar nicht besprochen. Ist der Mensch , sind wir eigentlich in der Lage, so was zu leben? Es gab ja bspw. in den 60er Jahren den Psychoanalytiker Fromm, der gesagt hat: Der Mensch kann gar nicht ohne Druck und ohne Arbeit, weil sonst verliert er eigentlich seine Lebensaufgabe.“ Meinrad Armbruster , Diplom-Psychologe: „Ich glaube, da braucht man nicht mal Psychologe zu sein, um eine Antwort zu geben. Wir stehen oft Morgens nicht gerne auf, und wenn wir keinen Druck hätten, nämlich dass wir bestimmte Erwartungen erfüllen müssen, würden wir lieber liegen bleiben. Es gibt natürlich verschiedene Werte, die uns bewegen. Wir müssen auf der einen Seite immer gucken, dass wir unser Geld im Geldbeutel haben, und das ist etwas Essenzielles, weil uns das auch Wert gibt. Weil uns das einen Platz in der Gesellschaft gibt, und weil das viele andere Mechanismen, die man sonst hätte, wie man seinen Platz in der Gesellschaft definiert, erspart (sic!), weil wir uns über Einkommen auch definieren können. Das soll gar nicht heißen, dass ich das gut finde, aber die Frage ist: Was könnte die bessere Art und Weise sein, die uns Menschen angemessen ist?“ Genau, das ist die Frage, die die Interviewerin im Publikum nicht stellt, und auf die er auch keine Antwort gibt. Auch kein Gedanke darüber, welche Selbst-Definitions-Möglichkeiten der Verdien-Zwang und die Fixierung auf Geld uns rauben. Und ob das, was wir unter Arbeit und unter Wert verstehen, nicht ohnehin überdacht werden könnte – und vielleicht sollte. Die Interviewerin fragt weiter, ob denn Untätigkeit auch „Folgen haben“ könne. Armbruster: „Ich denke auf jeden Fall, dass die Untätigkeit große Folgen hat, weil wir unsere ganzen Fähigkeiten, Begabungen unter Umständen nicht mehr trainieren würden. Aber ich würd’s gerne von der anderen Seite her betrachten: Es gibt viele Menschen, die das Schicksal haben, das Pech haben, dass sie mit Misserfolgen groß geworden sind, und die gelernt haben, dass es sehr viel sinnvoller ist Anforderungssituationen zu vermeiden. Und das bedeutet dann, dass man aus dem vorweggenommenen Misserfolg heraus sich schon gar nicht mehr anstrengt und z.B. dann bei vielen Frustrationen, die das Arbeitsleben beinhaltet dann sagt: Okay, ich hab ja mein bedingungsloses Grundeinkommen – und ich ziehe mich lieber zurück. Wenn die Welt ideal wäre, dann wäre das natürlich super, also wenn alle, wie es schon gesagt wurde, von klein auf diese tollen Bedingungen hätten und Menschen also in dieser Gesellschaft nicht versuchen müssten, sich immer wieder strebend zu bemühen.“ [Mit dem letzten Satz bezieht er sich auf Susanne Wiest, die die Petition zum BGE in den Bundestag einbrachte und als Tagesmutter arbeitet; sie wies darauf hin, das sie erlebt, dass Kinder von sich aus motiviert, neugierig und leistungsbereit sind.] Schließlich hat Armbruster „aus psychologischer Sicht sehr große Zweifel“, ob das funktionieren könne. (Die Interviewerin fragt nicht, ob den Tätigkeit, die erzwungen ist auch Folgen hat.) Ich habe aus psycho-logischer Sicht große Zweifel an Menschen (PsychologInnen), die so vieles nicht mal denken können, und selbst das, was schon existiert nicht berücksichtigen: Etwa, dass viele durch Erbschaft Reiche dennoch arbeiten. Und dass in Deutschland die meisten Arbeitsstunden ehrenamtlich und freiwillig geleistet werden: 96 Mrd Stunden im Vergleich zu 56 Mrd bezahlten, also fast doppelt so viele. Menschen suchen sich offensichtlich Beschäftigung, nach SINNvoller – entweder weil sie ihnen liegt und/oder weil sie das Ergebnis schätzen – für sich und die Gesellschaft. Der eigentlich schockierende Aspekt seiner Aussage ist, dass er nicht etwa fragt, wie es bei jenen, die nichts mehr machen, weil sie nur Frustrationserlebnisse hatten, dazu kam: Überforderung? Unterforderung? Mangelnde Anerkennung? Zwang, etwas zu tun, was nicht liegt – und damit vorprogrammierter Misserfolg? Gewalt? Druck tätig zu sein, auch wenn anderes vorrangig gewesen wäre (innere Arbeit, Ruhe, Heilung)? Mit anderen Worten: Er verkauft als Lösung für ein System, das mut- und antriebslos machte, weil es an Selbstbestimmung, Freiheit und positiver Verstärkung und Ermutigung fehlte – ein System, das mut- und antriebslos macht, weil es an Selbstbestimmung, Freiheit und positiver Verstärkung und Ermutigung fehlt. Damit werden die Benachteiligten doppelt bestraft und in alten Mustern eher verstärkt und die anderen auf eine Weise behandelt, die schädlich ist. Denn da, wo das alte System aktiviert, geht es nicht etwa auf die „Fähigkeiten und Begabungen“ ein, sondern übt Druck aus. Z.B. bei 1-Euro-Jobs, die dann genau jene Eigenschaften (Selbstbestimmung, Eigeninitiative etc. ...) unterminieren, die angeblich dadurch gefördert werden sollen (s. Studie der Heinrich-Böll-Stiftung). Ein Teufelskreis. Aktivierung kann auch positiv gehen: Mit niedrigschwelligen Angeboten, die helfen, herauszufinden, wo die eigenen Stärken und Interessen, Fähigkeiten und Begabungen liegen – und etwa gerade mit einem BGE, das eine Art positiven Gruppendruck ausübt, indem es den Leuten die Ausreden nimmt, nicht machen zu können, was sie wollen. Eine Aktivierung, die weit eher dazu geeignet ist, echte Freude an der – richtigen – Tätigkeit zu ermöglichen, Kontakte als Bereicherung zu erfahren und Herausforderungen einzugehen, gerade weil man sicher ist, wenn etwas nicht klappt weder finanziell noch im Denken der Menschen über den Tellerrand zu fallen. Aktiv mit und durch ein Sicherheitsnetz – statt durch eine Peitsche. Stünde eine solche Argumentation einem Professor für Pädagogische Psychologie, der Meinrad Armbruster auch ist, nicht besser zu Gesicht? Claus Schäfer warnt, das BGE sei ein Trojanisches Pferd. Ja, das wäre möglich, es kommt – wie immer und überall- auf die Ausgestaltung an. Aber die muss ja nicht Neoliberalen überlassen werden. Weder die Gewerkschaften noch andere Akteure werden arbeitslos werden. (Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Angst der Grund für die beständigen Versuche, das BGE zu denken ist. Genauso wie auch Leistung mit BGE immer einen Ausgleich haben muss.)
Wer nicht nur Risiken, sondern auch Chancen betrachtet, wird überrascht sein, wie viele sanfte und gesellschaftlich positive, Geld sparende Veränderungen sich durch die Freiheit, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen bietet, ergeben würden, z.B.:
In der Tat erfordert das ein neues Denken, ein Vertrauen in sich und andere Menschen, in die eigene und deren Selbstregulation und Entwicklungswillen; ein Denken, das in alten Systemen nicht entwickelt wurde. Es ist meist kein Unwille, sondern mangelnde Übung, sich ernsthaft mit einer so umfassend neuen Idee auseinander zu setzen. Und mehr als alles andere erfordert es die Fähigkeit zu gönnen. Und das ist der Grund, weswegen ich diesen Artikel auf meiner Buchseite zu „Ich wollt‘ ich wär‘ die Letzte“ veröffentliche: Es erfordert die Fähigkeit, Jüngeren eine Freiheit zu gönnen, die man selbst nicht oder lange nicht hatte. Ein Rentner meinte in einem Beitrag über das bedingungslose Grundeinkommen: „Ich glaube, dass viele in meinem Alter dagegen sind, weil sie meinen, dass die Jüngeren durch die selbe Mühle müssen sollen, wie ich. Die gönnen anderen nicht, was sie selbst nicht hatten.“ Es ist auch nicht leicht, weil man dann viele Demütigungen, viel Leid und Schmerz bei sich enden sieht, anstatt es durch Weitergabe verdrängen zu können. Doch gerade dieses Verarbeiten und schließlich Gönnen können macht frei – und macht die inneren und äußeren Strukturen frei für echte Veränderung. Egal ob es um Missbrauch im privaten oder im Arbeitsbereich geht. Ein Hinweis in diesem Zusammenhang - den ich mir auch zu Herzen nehme und der auch Haupt-Inhalt eines meiner Vorträge diesbzgl. war: Die Einführung des Bedingungslose Grundeinkommen würde selbstverständlich zunächst auf einige Probleme schaffen, einfach, weil es auf freiheitsungeschulte Charaktere trifft. Aber im Gegenzug zur Freiheit gilt: Daran gewöhnen sich Menschen sehr schnell, weil es ihrem Wesen entspricht – an Zwang und Druck gewöhnt sich niemand – er macht krank und mindert dadurch die persönliche und volkswirtschaftliche Leistung, während das BGE, bei guter Ausgestaltung und Umsetzung (s.o.) auf lange Sicht eine Vielzahl an Problemen lösen würde – und allemal besser ist als das bestehende System. Ein Wagnis, wie jede Reform - aber ein lohnenswertes. Zur Begriffsklärung und als Denkkatalysator empfehle ich: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=L4aTKOP9qTU
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