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Seite 1 von 2 Die dritte Halbzeit
Frauenrechtlerinnen erwarten zur Fußball-WM eine Zunahme der Zwangsprostitution. Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, haben sie eine Kampagne gestartet. Doch die ist bisher kein Treffer. Nicht nur Fans wollen damit in Ruhe gelassen werden, auch der Deutsche FußballverbandVON HEIDE OESTREICHWo Männer in Mengen aufeinander treffen, ist in der Regel eine Art kollektiver Testosteron-Hochstand zu erwarten. Und so rüstet sich die deutsche Rotlichtszene zum Geschäft des Jahrzehnts, wenn nächstes Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft das Land ereilen wird - und mit ihr eine ungewisse Zahl zusätzlicher Prostituierter. Doch weil es wenig legale Möglichkeiten gibt, als Prostituierte aus dem Ausland anzureisen, um hier Geld zu verdienen, rechnen die Behörden mit einer Vielzahl illegal eingeschleuster Huren. Und da beginnt ein Problem. Wer illegal ist, ist auch erpressbar. Illegale Prostituierte können sich nicht wehren, wenn sie um Teile ihres Hurenlohns betrogen werden, wenn der Zuhälter Mehrarbeit fordert, wenn er mit Gewalt droht oder sie einsperrt. Oder wenn sie vielleicht gar nicht Huren sein wollten, sondern als Kellnerinnen angeworben wurden. Ab und zu macht die Polizei Razzien und erwischt in der Regel die Prostituierten, nicht die Zuhälter. Selten setzt sich eine der Huren dann dem hohen Risiko aus, ihre Menschenhändler und Ausbeuter anzuschwärzen, schließlich hat sie deren Macht schon zu spüren bekommen. So weit, so schlecht. Die Dachorganisation der Frauenverbände, der Deutsche Frauenrat, sieht gerade deshalb in der WM eine gute Gelegenheit, die Gesellschaft gegen Ausbeuter in Stellung zu bringen und potenzielle Freier zu sensibilisieren. Informierte Kunden könnten unter Umständen erkennen, ob ihre persönliche Dienstleisterin unter Zwang arbeitet, und gegebenenfalls etwas unternehmen. Doch der Versuch der Frauen- und Menschenrechtsverbände, die Fußball-Öffentlichkeit für ungewollte Nebenwirkungen ihres Verhaltens zu sensibilisieren, stößt auf eine echte Abwehrmauer aus Fußballfunktionären und Teilen der Presse. Es sieht aus wie ein Lehrstück über die Fallstricke von Frauenrechtskampagnen. Wie so oft bei so genannten Frauenthemen geht es erstens um etwas, das unangenehm intim ist: Zwangsprostitution, das klingt wie genitale Verstümmelung, sexuelle Gewalt, sexueller Missbrauch, Abtreibung - darüber spricht man nicht gerne. Zweitens ist der Adressat anonym. Niemand geht öffentlich zu Prostituierten - und schon gar nicht zu Zwangsprostituierten. Auch das ist typisch für ein tabuisiertes Frauenthema. Gewalt in der Familie ist ebenso wie die sexualisierte Gewalt in der Zwangsprostitution etwas, über das der Täter selbstverständlich nicht spricht - das Opfer auch nicht. Das führt, drittens, zu einem typischen Streit über das Ausmaß des Problems. Während die einen horrende Dunkelziffern in Umlauf setzen, haben die anderen leichtes Spiel beim Leugnen dieser Zahlen, gesichert sind sie schließlich nicht. Beim Thema Gewalt und Missbrauch ein altes Spiel, bei der Zwangsprostitution fängt es gerade an. Bei der WM sollen bis zu 40.000 Prostituierte nach Deutschland einreisen, schätzt angeblich der Städtetag. Eine Bordellchefin aus Berlin merkte kürzlich im britischen Guardian an, man könne locker noch eine Null anhängen. In der Emma werden aus 40.000 ausländischen Prostituierten plötzlich 40.000 Zwangsprostituierte, als gäbe es da keinen Unterschied. Schon widerspricht der Kölner Oberbürgermeister, die Zahl sei ohnehin "nicht realistisch". Heike Rudat, Menschenhandelsspezialistin vom Landeskriminalamt Berlin, erklärt, es gebe für Menschenhandel keine seriöse Dunkelfeldforschung und deshalb auch keine verlässlichen Zahlen. Nur ein Bruchteil der gehandelten Frauen wird beim BKA aktenkundig, im Jahr 2003 etwa waren es gut 1.200. Diese Zahl ist sicherlich zu niedrig, weil die meisten Frauen es nicht wagen, eine Aussage gegen ihre Zuhälter zu machen. Bei doppelt so vielen finden die ErmittlerInnen eindeutige Hinweise auf Zwangsprostitution, aber die Frauen wollen nicht aussagen ! |